Sommerpausen Interview mit dem Fanbeauftragten André Wunder
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Hast Du Dich vom spannenden Saisonende erholt? Genießt Du ein paar freie Tage oder bist Du schon wieder in der Vorbereitung auf die nächste Saison?
Es war wirklich eine turbulente Saison, die uns alle bis zum letzten Spieltag einiges an Kraft und Nerven gekostet hat. Umso schöner war dann das Gefühl, dass wir (Mannschaft, Verein und Fans) es einmal mehr gemeinsam geschafft haben und nächste Saison wieder mit zu den besten 18 Mannschaften in Deutschland zählen. Daher stand in der Sommerpause auch erst einmal Urlaub und Erholung ganz oben auf der Tagesordnung. Jetzt laufen die Vorbereitungen für die neue Saison aber bereits auf Hochtouren und die Vorfreude steigt, wenn es bald wieder auf dem Rasen losgeht.
Was waren die Höhe- und Tiefpunkte der Saison aus deiner Sicht als Fanbeauftragter?
Da fällt mir zunächst der Saisonbeginn ein: das Spiel der EL Quali in Ljubljana war natürlich ein besonderes Erlebnis für uns alle. Mich hat beeindruckt, wie viele SC Fans sich auf die Reise nach Slowenien gemacht und sich in der Innenstadt als gute Gäste präsentiert haben. Sportlich gesehen war das Ergebnis dann natürlich für alle sehr enttäuschend, weil man in Freiburg nicht allzu häufig die Chance hat internationale Luft zu schnuppern und der Traum von Europa ein frühes Ende nahm. Ein weiteres Highlight der abgelaufenen Saison und zugleich richtungsweisend für die Zukunft des Vereins war die Präsentation des Entwurfes für das neue SC Stadion, den ich für sehr gelungen halte und mich auf den Moment freue, in dem es unsere Fans mit Leben füllen.
Die letzte Saison war geprägt von bundesweiten Protesten. Wie hast du die Aktionen wahrgenommen?
Ich finde Proteste grundsätzlich eine geeignete Form, um auf gewisse Anliegen, die für Fans große Relevanz haben, aufmerksam zu machen und sich so Gehör zu schaffen. Dabei spielt für mich aber auch die Form des Protests die entscheidende Rolle. Beispielsweise fand ich die konstruktive Art und Weise, in der sich die Mainzer und Freiburger Fanszene gemeinsam mit dem Thema Montagsspiele befasst haben, beeindruckend.
Eine Forderung war die einheitliche Regelung zu Fanutensilien. Im Herbst wurde den Fans nach einem Treffen mit dem Vorstand von DFB/DFL zugesagt, die schon seit Jahren geltende Empfehlung zu Fanutensilien als Richtlinie herauszugeben, was im Frühjahr durch den DFB dann auch offiziell geschah. Was wurde in Freiburg seitdem konkret umgesetzt?
Aufgrund der städtischen Polizeiverordnung gestaltet sich das Thema etwas komplexer für uns in Freiburg als für andere Vereine die etwa Eigentümer des Stadions sind bzw. eine eigene Hausordnung haben. Zu diesem Thema sind wir aber in konkreten Gesprächen und im Austausch mit der Stadt und der Polizei. Wir werden dann sehen inwieweit die Verbandsempfehlungen an unserem Standort realisierbar sind. Schön wäre es, wenn wir zur neuen Saison etwas davon umgesetzt bekommen, auch im Hinblick auf die Willkommenskultur gegenüber unseren Gästen.
Gerade für Gästefans läuft in Freiburg nach wie vor nicht alles rund.
Eine Szene die uns negativ in Erinnerung geblieben ist, ist das Spiel gegen Mainz, als Ordner eine Fahne der Gäste herunter rissen. Wie seid ihr vereinsintern mit dieser Situation umgegangen?
Auch das ist ein Sachverhalt, den wir bereits mit einigen Fans unserer Szene besprochen haben. Es ist immer problematisch, wenn der Ordnungsdienst aktiv beim Thema Banner oder Fahnen einschreiten muss. Letztlich war die Maßnahme Ergebnis eines Prozesses und von Diskussionen, in welche die Fans aus Mainz sowie Vertreter beider Vereine einbezogen waren, aber keine Einigung erzielt werden konnte. Es ist am Ende dann die Aufgabe des Vereins, für die Einhaltung der bekannten Regeln zu sorgen. Solche Vorkommnisse sind aber zum Glück die absolute Ausnahme.
Anderes Thema: Die Dauerkarte ist in diesem Jahr wieder teurer geworden. Wie siehst Du diese Entwicklung?
Eine preisliche Veränderung findet wohl so gut wie nie großen Anklang…das kenne ich von mir selbst ja ganz gut: ich rege mich jährlich über neue Strompreise, Bahntarife oder TV Gebühren auf und habe im ersten Moment kein Verständnis dafür und letztlich sind die Erhöhungen wohl doch begründet. Schaut man sich unsere Dauerkartenlandschaft etwas genauer an, dann stellt man fest, dass wir durch den hohen Stehplatzanteil im Stadion per se viele günstige Dauerkarten haben: die Stehplatzdauerkarte für Erwachsene auf der Südtribüne liegt immer noch unter 200€, somit sieht man Erstligafußball in Freiburg für gut 11,50€ pro Heimspiel, auf der Nord umgerechnet für rund 12,40€. Wir wollen Fußball weiterhin bezahlbar gestalten und sozial verträgliche Preise gewährleisten - für alle Teile unserer Gesellschaft. Dennoch können wir uns einer gewissen preislichen Dynamik aus wirtschaftlichen Aspekten nicht gänzlich entziehen. Die Preise für Kinder- und Familiendauerkarten bleiben im Übrigen unverändert.
Du gehst in Deine 6. Saison als Fanbeauftragter. Wie hat sich aus deiner Sicht die Fanszene in dieser Zeit entwickelt?
Zunächst einmal finde ich, dass wir eine tolle Fankultur in Freiburg haben, das blieb über die gesamte Zeit, die ich in meinem Job arbeite, konstant. Man bekommt ja regelmäßig bei Auswärtsspielen und auf Tagungen im Austausch mit den Kollegen mit, was die Problematiken an den verschiedenen Standorten sind. Da können wir wirklich stolz auf unsere Fans sein! Das sind auch die Rückmeldungen, die ich häufig von Leuten bekomme, die unsere Fans als Außenstehende wahrnehmen. Ich würde die Freiburger Fankultur als kreativ, bunt, tolerant, heimatverbunden, traditionsbewusst, kommunikativ und dabei kritisch aber trotzdem loyal beschreiben. Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt haben in Freiburg erfreulicherweise keinen Platz, dem treten wir als Verein auch entschieden entgegen. Von der Fanszene gibt es viele Inputs von denen wir als Verein profitieren können, die uns helfen Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Wie hat sich Dein Aufgabenfeld seitdem verändert?
Wir haben in den zurückliegenden 5 Jahren vieles in Freiburg erlebt: „Von Sevilla nach Sandhausen und wieder zurück“, so beschreibe ich diesen Abschnitt der Vereinsgeschichte ganz gerne mit einem Augenzwinkern. Die Stelle eines hauptamtlich tätigen Fanbeauftragten ist ja eine recht junge, in Freiburg wurde diese erst im Sommer 2011 geschaffen. Daher hat sich die Fanarbeit natürlich auch stetig weiterentwickelt. Durch die Professionalisierung dieses Bereiches hat man sich auch eine Qualitätssteigerung versprochen, ob das rückblickend der Fall war könnt ihr Fans besser beurteilen (grinst). Wir haben hier in den letzten Jahren versucht spezielle Bereiche, wie etwa die Angebote für unsere Zuschauer mit Handicap zu verbessern. Wir haben beispielsweise das Angebot der Blindenreportage eingeführt. Auch das Thema Umgang mit Stadionverboten haben wir, etwa durch die Einrichtung eines Anhörungsgremiums, nach meinem Empfinden optimiert. Mit mir hat auch das Fanprojekt im Jahr 2013 seine Arbeit aufgenommen, auch hier ist es spannend die Entwicklungen zu beobachten. In Zukunft möchten wir die Fanarbeit des Vereins noch breiter aufstellen. Wir möchten Betreuung und Zuschauerservice für Fans jeden Alters und deren spezifische Bedürfnisse bieten. Beispielsweise werden Familien und Senioren stärker in den Fokus unserer Arbeit rücken.
In Deinem Büro sitzt du unter anderem direkt neben dem Sicherheitsbeauftragten. Seit Deinem Amtsantritt gab es in dieser Position ständig Wechsel. Liegt es daran, dass man es mit Dir als Büronachbar so schwer hat oder warum hält es niemand länger als 2 Jahre aus?
Vielleicht sollte ich mir Gedanken machen… (lacht) Andererseits sitzen auch zwei Kollegen mit mir im Büro, die schon seit über 15 Jahren im Verein tätig sind. Nein im Ernst, ich denke familiäre Gründe und berufliche Perspektiven zur persönlichen Weiterentwicklung sind nichts Außergewöhnliches und in jedem Berufsstand sind personelle Veränderungen alltäglich. Mit der Position eines Sicherheitsbeauftragen hat das aus meiner Sicht überhaupt nichts zu tun. Klar ist aber, dass man von personeller Kontinuität profitieren kann, das gilt für jede Branche.
Als letztes Jahr beim Auswärtsspiel in Stuttgart Pyro im Gästeblock brannte dauerte es nicht lange bis die öffentlichen Forderungen von Seiten des SCF-Vorstandes aufkamen, die drohenden Geldstrafen an die Verursacher weiterzureichen. Dabei zielen die Beträge in der Größenordnung an Millionen umsetzende Bundesligavereine ab und eher weniger auf geringverdienende Fans. Wie siehst Du als jemand der aufgrund seiner Tätigkeit zwar Angestellter des SC Freiburg, aber auch nahe an den Fans ist, so eine Forderung? Zudem gab die DFB Sportgerichtsbarkeit kürzlich bekannt, dass der SCF 3000 Euro zahlen muss wegen einem Fan, der beim Heimspiel gegen Wolfsburg über den Platz gerannt ist. Es kam sogar zu einer Spielunterbrechung und niemand im Stadion würde die Aktion - im Gegensatz zu Pyro - auch nur annähernd als Support der Mannschaft werten. Dennoch gab es hier kein öffentliches Statement vom SCF, in welchem dem Flitzer das Fansein abgesprochen und eine Weitergabe der Geldstrafe angedroht wurde. Hast Du Verständnis, wenn Fans diese Ungleichbehandlung kritisieren?
Die letzten Jahre haben uns bundesweit doch gezeigt, wie schwierig es ist über das Thema Pyrotechnik zu diskutieren. Für einige Fans gehört Pyro nun mal unbedingt als Stil- und Ausdrucksmittel ihrer Fankultur zu ihrem Dasein dazu, wogegen andere damit gar nichts anfangen können. Die Meinungen gehen da also bei den Stadionbesuchern weit auseinander. Als Verein und Veranstalter ist es alleine wegen Fragen der aktuellen Gesetzeslage und eventuellen Haftung alternativlos Pyrotechnik im Stadion zu verbieten. Vor etwa einem Jahr verkündete der DFB auf Kollektivstrafen nach dem Gießkannenprinzip verzichten zu wollen. Das Ziel die Verursacher, sofern sie zweifelsfrei zu ermitteln sind, in die Verantwortung zu nehmen, verfolgen wir in Freiburg schon länger. Unter diesem Aspekt betrachtet, herrscht also eine Gleichbehandlung bei den Vorfällen bezüglich unserer Verfahrensweise und den Sanktionen. Dennoch sind die beiden genannten Vorfälle nur schwer vergleichbar, was ihre Außenwirkung anbelangt, das hast du ja bereits angesprochen.
Schon seit Jahren gilt das Verhältnis zwischen der FG und den Ultragruppen als schlecht. Gemeinsame Aktionen gibt es kaum. Selbst bei der 50+1-Bleibt Kampagne trug sich die FG nicht als Unterstützer ein.
Als studierter Sozialpädagoge kennst Du sicherlich Lösungsansätze den Konflikt zwischen FG und Ultras beizulegen und endlich den von vielen Fans gewünschten Zusammenhalt zu fördern. Warum lässt sich das so schwer umsetzen?
Ich finde das etwas zu negativ und schwarz-weiß gedacht. Denkt man zurück an die Monate vor dem Bürgerentscheid, dann haben dort alle organisierten Fans zusammen für einen positiven Ausgang gesorgt, den Verein immens unterstützt. Das war beeindruckend und auch in der Zusammenarbeit zwischen Ultraszene und Fanclubs klasse! Allgemein bin ich der Auffassung, dass es bei einer überwiegenden Mehrheit der fanpolitischen Themen sogar Konsens zwischen Szene und Fanclubs gibt. Themen wie Montagsspiele, Preispolitik bei Eintrittskarten oder eben die 50+1 Regelung beschäftigen jeden Fan, der regelmäßig in die Stadien geht. Letztlich vereint in Freiburg doch Ultras und Fanclubs, sowie deren Dachverband die fg, dass alle den SC im Herzen tragen und ihn leidenschaftlich begleiten, das ist der kleinste gemeinsame Nenner auf den man aufbauen kann. Man muss aber auch die Unterschiede anerkennen und akzeptieren, die damit verbunden sind. Jedem sollte es freigestellt sein, wie er sein Fansein definiert, wie er sich auf der Tribüne verhält – ganz gleich ob er lautstark mitsingt oder leise mitfiebert. Am Ende kommt es aber wohl selbst auf die Gruppen an Ihre Differenzen zu benennen und die vorhandenen Konflikte zu lösen. Als Verein nehmen wir dabei gerne eine unterstützende und moderierende Rolle ein.
Was sind Deine Wünsche für die anstehende Saison?
Die sportlichen Umstände wirken sich natürlich besonders stark auf die Stimmung unserer Fans und somit auch auf meine Arbeit aus. Daher hoffe ich zunächst, dass es dem Trainerteam gelingt, eine konkurrenzfähige Mannschaft zu bilden, die bereits zu Beginn der Saison gut in Form ist und die nötigen Punkte sammelt um am Ende wieder die Klasse zu halten. Das darf diese Saison dann auch gerne etwas früher als letzte Saison sein…und wer weiß, vielleicht geht es dann im Sommer 2019 wieder auf Reisen. (lacht)